Es war vor langer Zeit, als ein reicher Kaufmann die grosse Wüste bereiste, um in den Oasen Geschäfte zu machen. Eines Tages war er seit langem zum ersten Mal erfolglos.
Er hatte es bei aller Mühe nicht geschafft, für seine Waren den von ihm gewünschten Preis zu erhalten. Nur mit Verlust konnte er überhaupt verkaufen.
Das machte ihn so wütend, dass er allein in die Nacht hinauslief. Er durchstreifte die Oase und fluchte dermassen, dass selbst ein altes Kamel errötet wäre, hätte es seine Worte vernommen.
Als seine Wut am stärksten in ihm aufflammte, als sie schier nicht mehr zu bändigen war, griff er einen riesigen Stein und schleuderte ihn mit aller Kraft durch die Luft -
...und traf damit eine junge Palmenpflanze.
Da lag sie nun, die junge Palme.
Nicht einmal richtig erwachsen und schon von einem so grossen Stein erschlagen. Sie war unschuldig, sicher, und sie konnte nichts für das Unglück des Kaufmanns, nichtsdestotrotz schien es mit ihr vorbei zu sein.
Als der Tag kam und die Sonne die Luft erwärmte, bemerkte die kleine Palme, dass sie trotz allem noch mit einem einzigen Blatt an die Sonne kam.
Und da beschloss sie, nicht aufzugeben.
Mit diesem einen Blatt versuchte sie, soviel Licht wie möglich aufzunehmen. Viel war es nicht. Es reichte nicht zum Überleben. Doch wollte sie auf keinen Fall aufgeben!
Also überlegte sie, ob Wasser ihr helfen würde und trieb ihre Wurzeln tief in die Erde der Oase. Bald, so hoffte sie, würde sie mehr Wasser aufnehmen können. Es war nicht leicht, doch es ging. Und schon bald bemerkte sie, dass ein weiteres Blatt unter dem Stein hervor kam. Sehr langsam, mit viel Geduld und Beharrlichkeit, gelang es der kleinen Palme, mehr und mehr Energie zu bekommen.
Es ging soweit, dass sie beschloss den Stein anzuheben und ungeachtet ihrer Last zu wachsen.
Da sie ihre Wurzeln inzwischen ganz tief in die Erde gebohrt hatte, bekam sie soviel Wasser, dass sie ungeahnte Kräfte entwickelte und eines Tages gelang es ihr, tatsächlich den Stein anzuheben.
Irgendwie gewöhnte sich die Palme ein wenig an ihre Last. Sie begann, den Stein nicht mehr als Hindernis zu betrachten und so wuchs sie über die Jahre immer weiter und weiter; doch den Stein vergass sie nie.
Selbst als sie die grösste der grossen Palmen in der Oase erreicht hatte, wuchs sie immer weiter. Sie war sich ihrer Last stets bewusst, jeden Tag, doch liess sie sich davon nicht abhalten, trotzdem weiter zu wachsen. Sie hatte beschlossen, dass der Stein sie nicht daran hindern konnte, ein gutes Leben zu leben.
Inzwischen hatten die Leute sogar angefangen, die Oase nach ihr zu benennen: „Die Oase mit der grossen Palme“ nannten sie sie, weil sie bereits von weitem die alles überragende Palme sahen und sich an ihr orientierten.
Eines Tages fegte ein Sandsturm von so ungeheurer Wucht durch die Wüste, dass alles, was atmen konnte, verstummte. Und als der Sturm zu der Oase kam, riss er einige der Palmen einfach mit sich und auch die grosse Palme bog sich hart im Wind.
Als der Wind noch stärker wurde, flog plötzlich der Stein vom Haupt der Palme und landete, ohne Schaden anzurichten, im weichen Sand.
Und plötzlich wurde es der grossen Palme bewusst, dass sie ohne diese Last nie so gross und stark gewachsen wäre...
Ihr unbedingtes Wollen schenkte ihr die Disziplin welche sie brauchte, um Erfolg zu haben.
(Märchen aus Afrika)
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